Ich meine ja nur
Vom Verdacht zum Prüffall
Wenn man den Verfassungsschutz entwürdigt und als Erfüllungsgehilfen missbraucht.
Die AfD polarisiert und so einige Aussagen darf, oder muss, man hinterfragen dürfen, aber was darf ein Rechtsstaat und was darf er nicht?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz muss sein Gutachten über die Prüfung der AfD öffentlich machen. Wenn eine Behörde die Verfassungstreue einer politischen Partei öffentlich anzweifelt, müssen sich deren Mitglieder verteidigen können. Alles andere ist eines Rechtsstaats unwürdig. Besonders dann, wenn sich der Souverän, also wir, sich nicht umfassend informieren kann.
Es ist vielleicht nachvollziehbar, dass sich der deutsche Inlandgeheimdienst mit der AfD beschäftigt, und es gibt gute Argumente dafür, einige ihrer Unterorganisationen als „Verdachtsfälle“ einzustufen. Was es nicht gibt, ist ein überzeugendes Argument dafür, die Gesamtpartei erst öffentlich zu einem „Prüffall“ zu erklären und anschließend die Grundlage dieser Einschätzung unter Verschluss zu halten. Aber genau das macht das Bundesamt für Verfassungsschutz, mit Rückendeckung des Innenministeriums.
Da ist die Angeklagte (die AfD)
Dazu hat der Geheimdienst die AfD in dem Moment gemacht, indem er sie, nicht geheim, sondern öffentlich, zum „Prüffall“ erklärt hat. Der Begriff ist, ebenso wie „Verdachtsfall“, stigmatisierend.
Mitglieder anderer Parteien haben bereits damit begonnen, den „Prüffall“ in ihr Vokabular aufzunehmen, mit dem sie die AfD attackieren. Die kann sich kaum wehren. Sie kann nur die Berichte einiger linksgerichteter Medien lesen, denen das Dossier zugespielt wurde. Wie die Hunderte Seiten starke Materialsammlung von diesen linksgerichteten Medien gewichtet wurde, welche Informationen wie zusammengefasst wurden und welche fehlen, weiß die Partei und auch der Souverän nicht. So etwas erinnert nicht an einen Rechtsstaat.
Auch aus nachrichtendienstlicher Sicht ergibt die Geheimniskrämerei keinen Sinn. Müsste die Behörde Informanten oder verdeckte Ermittlungsmethoden schützen, dann wäre der Stempel Verschlusssache nachvollziehbar. Aber der Verfassungsschutz hat selbst erklärt, dass sämtliche Informationen seiner Materialsammlung aus öffentlichen Quellen stammen, also aus Zeitungsartikeln, Social-Media-Profilen oder Videos von Reden. Auf deren Grundlage hätten sich „erste tatsächliche Anhaltspunkte für eine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Politik“ ergeben, die allerdings „nicht hinreichend verdichtet“ seien, um eine Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln einzuleiten.
Mit anderen Worten: Es könnte sein, aber wir wissen es nicht und wir können es auch nicht beweisen.
audacter calumniare, semper aliquid haeret, „verleumde nur dreist, es bleibt immer etwas hängen“ (Plutarch, ca. 45 n. Chr.)
Indem sich der Staat weigert, die Grundlage für seine schwammige Anklage offenzulegen, führt er sich auf wie jemand, der tratscht: Habt ihr gehört, was XY verbrochen hat? Furchtbar, oder? Genaues weiß ich aber auch nicht. Irgendetwas bleibt beim Publikum in solchen Fällen immer hängen. Das ist das Perfide: Gegen etwas kann man sich wehren, gegen irgendetwas nicht!
Neben der AfD haben auch die Bürger ein Interesse an einem transparenten Umgang mit der Partei. Sie müssen wissen, wie dieser politische Akteur zur Verfassung steht. Es ist schließlich unsere Verfassung. Eine Regierung, die zulässt, dass der Geheimdienst solche Vorwürfe öffentlich macht, ohne sie zu belegen, behandelt den Souverän (also uns alle) wie ein dummes Kleinkind.
Die Rolle des Staates
Innenministerium und Verfassungsschutz sollen die Bundesrepublik vor ihren Verächtern und Feinden schützen. Das ist eine wichtige Aufgabe und eigentlich ist es die wichtigste Aufgabe. Die grundlegende Voraussetzung ist Neutralität. Die Institutionen dürfen von ihrem Führungspersonal nicht dazu missbraucht werden, eine politische Kraft zu diskreditieren, die ihre eigenen Parteien als Wettbewerber stört. Wobei sich sofort die Frage stellt, wie ein „geheimer Bericht“ als Massenware bei den zu 99,8 Prozent linksgerichteten Medien landen konnte und wem diese „Leckage“ tatsächlich von großem Nutzen ist.
(Der Buchtipp öffnet sich in einem neuen
Fenster)
Die deutsche Regierung und der ihr unterstellte Inlandsgeheimdienst werden der AfD keine Einsicht in das „Geheimdienst-Gutachten“ über die Partei gewähren. Das teilte ein Sprecher des Innenministeriums am 24.01.2019 mit.
Dabei dachte ich immer es gelte der Grundsatz:
IN DUBIO PRO REO
Im Zweifel für
den Angeklagten
Ich meine ja nur...